Mastodon: goettingen.social ist im Fediverse!

Frage: Was macht man, wenn man einen Tag frei hat und man vom Live-Programm der Kackis noch etwas müde ist? Richtig: Man setzt eine Mastodon-Instanz auf.

Mastodon ist das System, was von vielen als Twitter-Alternative bezeichnet wird und das in Deutschland einen guten Zulauf hat. Gerade durch das Twitter-Chaos ist es in letzter Zeit ordentlich gewachsen, aber im Vergleich ist das eben immer noch sehr wenig und alles andere als Mainstream.

Ich selbst habe ja vor ein paar Wochen die Webseite hier auch ins Fediverse integriert und finde die Idee eines standardisierten Social-Media-Protokolls sehr faszinierend. Deshalb war es ehrlich gesagt auch nur eine Frage der Zeit, bis ich meine eigene Instanz aufgemacht habe: goettingen.social!

goettingen.social – eine Instanz für die Region

Die Anmeldungen sind zwar geschlossen (weil ich den Ressourcenhunger im Blick behalten muss), wer aber Interesse hat, kann sich gerne bei mir melden, entweder hier in den Kommis oder per Mail an admin@goettingen.social. Ich habe keine Ahnung, ob es eine Zielgruppe gibt, die sich für eine regionale Instanz interessiert, ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob kleinere Instanzen überhaupt bestehen bleiben, aber bevor ich darauf weiter eingehe, kommt erst einmal yet another Mastodon-Erklärtext.

Mastodon: Was bringt die Dezentralität?

Wie ich euch mit goettingen.social gezeigt habe, kann jede:r eine eigene Instanz aufmachen. So wie jede:r auch einen eigenen Mailserver erstellen kann. Theoretisch. Praktisch ist es so, dass es privat wenige große Free-Mailer gibt wie gmail.com oder t-online.de oder web.de, die den Markt unter sich aufteilen; weil es eben echt kompliziert ist, sich um was Eigenes zu kümmern und weil Menschen halt eines nicht mögen: Komplexität.

Das Marketing-Problem, was Mastodon hat, ist, dass genau diese Komplexität als ein Unique-Selling-Point verkauft wird: Schließt euch der Instanz an, die ihr sympathisch findet. Seid ihr Rollenspieler:innen? Kein Problem. Fühlt ihr euch dem Chaos zugehörig? Da gibt’s was. Ist das euch egal und ihr wollt irgendwo sein? Nehmt die offizielle Instanz. Der offensichtlichste Unterschied der Instanzen ist dann die sogenannte lokale Timeline: Dort findet ihr nur die Inhalte, die von Nutzer:innen der Instanz geschrieben wurden. Ansonsten kommunizieren aber die Instanzen untereinander, sodass ihr, wieder wie bei E-Mails, jeder Person folgen könnt und die Inhalte seht, auch wenn die sich in einer ganz anderen Instanz befinden.

Jede Instanz kann nun

  • eigene Regeln definieren
  • eigene Moderation-Philosophien fahren (das mit dem NetzDG zu vereinbaren ist ein eigener Artikel)
  • andere Instanzen blocken

Und den normalen Nutzer:innen ist das alles: egal. Also relativ. Warum hostet man seine Mails bei gmail? Weil’s funktioniert und weil man da ziemlich viel Platz hat. Datenschutz, Tracking, Alternativen, die man bezahlen muss, sind da zu kompliziert. Ich glaube, wenn sich Mastodon da hinentwickeln könnte, ein paar große kommerzielle Instanzen für die Mehrheit und viele kleine für Leute wie mich, kann das was werden. Ob da der harte Kern von den Nutzer:innen mitmacht, die in den letzten Jahren das System belebt und entwickelt haben? Ich habe da so meine Zweifel. Aber egal, wie es sich entwickelt, ich hoffe, dass es funktioniert. So sehr, dass ich jetzt auch eine Instanz verwalte.

Mastodon im Stadtmarketing

Im Stadtmarketing gibt es eine Menge Stakeholder: kommunale Einrichtungen wie Verwaltungen, Universitäten oder Schulen, Feuerwehr und Polizei, aber auch Veranstalter:innen, Vereine oder Personen des öffentlichen Lebens. Und Leute wie mich. Generell wird Mastodon bei Behörden wegen Datenschutz und Open Source auch immer beliebter. Ich stelle es mir einfach toll vor, wenn in der lokalen Timeline dann die Inhalte zu finden sind, die direkt etwas mit der Stadt zu tun haben. Oder Inhalte von Menschen auftauchen, die etwas mit der Stadt verbinden, dort wohnen oder arbeiten. Die Agora, das Forum, der digitale Marktplatz. Endlich. Eine Stelle, in der man sich informieren kann, in der relevante und unterhaltende Infos zusammenlaufen und sich Nutzer:innen schnell und unkompliziert ein Echtzeit-Bild über die Stadt machen können. Ein Forum, in dem es einfach ist, sich mit anderen zu vernetzen und eigene Communitys zu bilden. Es wäre so schön, also nicht nur für die Göttingen-Instanz, sondern für das Mastodon-Projekt generell und schreibt mir, dass ich das alles viel zu skeptisch sehe.

Was sind eure Ideen?

Was meint ihr, was kann man mit einer regionalen Instanz alles anfangen? Schreibt eure Vorschläge oder Ideen hier in die Kommis oder haut mich direkt auf Mastodon an. Aktuell gibt es drei Bots, die Göttingen-Inhalte spiegeln: Das Gänseliesel spiegelt Sachen von goettingen-marketing.de und einkaufen-in-goettingen.de, und dann gibt es noch ein Spiegel von goetageblatt und einen vom Uni-Account.

Kanban-Methode für Redaktionen und Newsrooms

Die instruktive Praxis in modernen Newsrooms hat in Redaktionen funktioniert, als Produkte noch überschaubar waren. Mit dem Aufkommen der Multi-Kanalität über Social Media, Suchmaschinenmarketing und Newsletter ist dieser Ansatz aber nur noch schwer und vor allem langsam managebar. Besser ist es, auf die Kanban-Methode für Redaktionen zu setzen. Eine Übersicht.

Prozesse erkennen und strukturieren

Früher war mehr Lametta und vor allem weniger Content. Als sich das Content-Marketing noch auf Print-Anzeigen, Broschüren für Messeauftritte und Medienmitteilungen beschränkte, konnten redaktionsleitende Personen instruktiv vorgehen und die einzelnen Projekte managen. Denn erstens gab es von denen nicht so viele wie heutzutage (wobei ich nicht über die Komplexität rede!) und zweitens waren die Marketing-Abteilungen in größeren Unternehmen auf diese Projekte zugeschnitten.

Auch im Tourismus-Bereich und dem Binnen- und Außenmarketing von Städten und Kommunen war die Kanalität überschaubar und der work in progress durch Wissen, Erfahrung und Lenkung überschau- und abarbeitbar.

Komplexität durch Multikanalität

Auch als die ersten Social-Media-Plattformen dazugekommen sind, musste sich erst einmal wenig ändern: Die Medienmitteilungen wurden im ersten Schritt einfach bei Facebook geteilt, später dann immer mehr an die eigene Zielgruppe angepasst. Als Instagram aufkam? Das gleiche Spielchen. Aber langsam stellte man sich die Frage, ob da die Archivfotos ausreichen oder extra ein:e Fotograf:in engagiert werden sollte? Anzeigen wurden an Agenturen outgesourct und Online-Advertorials just-in-time produziert – und das alles neben der, ich nenne sie mal, historischen Routinearbeit. Suchmaschinenmarketing, Social-Media-Ads, ganz neue Controlling-Kreisläufe – in meiner Agenturzeit in den 2010ern konnte ich noch erleben, wie das manche:n Kund:in so beschäftigt hat, dass sie sich dadurch fast selbst zum Stillstand gebracht haben.

Arbeit sichtbar machen

In der vergangenen Woche organisierte der Startraum in Göttingen einen mehrteiligen New-Work-Workshop. Unter anderem hat dort Ruven Bers von der Arineo über Kanban und Scrum gesprochen. Und erwähnt, wie wichtig es ist, zu sehen, wie viel Arbeit sich gerade in einem System befindet. Ein logischer Gedanke, den wir wahrscheinlich alle sinnvoll ansehen. Denn manchmal verlassen wir uns zu sehr auf unser Gefühl und der „gefühlte“ Berg an Arbeit ist viel schneller abgehakt als die Aufgabe, für die man 20 Minuten eingerichtet hat und die sich dann über mehrere Tage zieht.

Um da den Überblick zu bewahren hilft Kanban.

Mit Kanban den Prozessablauf objektivieren

Kanban ist eine japanische Methode, die 1947 entwickelt wurde, um die Produktion und Fertigung zu flexibilisieren und zu verschlanken. In der Wikipedie findet ihr dazu jede Menge Hintergrundinfos und Sekundärliteratur. Was für diesen Beitrag hier wichtig ist: Kanban teilt einen Prozess in Unterprozesse ein. Die einfachste Einteilung ist euch mit Sicherheit bekannt: „Zu bearbeiten“, „in Arbeit“ und „erledigt“. Richtig, ihr kennt das von allen Orga-Tools, die Boards anbieten, wie Trello, Microsoft Planner, Jira, Zenkit, Asana oder Post-Its am Whiteboard.

Prozesse in der Redaktion vereinheitlichen

So könnte ein Kanban-Board in einer Redaktion aussehen. Erstellt mit Asana.

Ich habe beispielhaft ein simples Kanban-Board vorbereitet mit den Phasen „Idee“ (Backlog), „Unbearbeitet“, “Angelegt”, “Redigiert” und “Geplant / Veröffentlicht”. In jeder Spalte befinden sich einzelne Items, die einen Titel, ein Veröffentlichungsdatum, eine Kategorie (in dem Fall, in welchem Kanal sie veröffentlicht werden) und eine bearbeitende Person besitzen. Wird in einem Meeting besprochen, ein Thema zu veröffentlichen, wird es vom Board “Idee” in “Unbearbeitet” verschoben und die Zuständigkeiten entsprechend verteilt. So sieht das ja noch recht übersichtlich aus: Die wichtigsten Themen stehen im Board weiter oben und mit einem Blick kann jedes Teammitglied die Gesamtsituation gut überblicken. Nach jedem weiteren Schritt landet es weiter nach rechts, bis es dann irgendwann “veröffentlicht” und somit bearbeitet ist. Wie man das alles automatisieren habe ich hier aufgeschrieben.

Wichtig ist, dass so ein Tool auch andere Darstellungsformen unterstützt, beispielsweise als Kalender.

 

Die Items von oben werden anhand des Ablaufdatums in einem Kalender angezeigt. Um die Übersicht zu wahren, besitzt jeder Kanal eine eigene Farbe.

Wenn Komplexität steigt, müssen Filter ran

Wenn das jetzt aber nicht 14 Beiträge für die Woche wären, sondern 50 und wenn nicht drei Leute die Tasks bearbeiten, sondern fünf, dann kann diese Hilfe ganz schnell überfordern. Details ersticken dann den eigentlichen Überblick. Was dann hilft? Filter.

Im ersten Schritt, und das können nur Online-Tools in dieser Flexibilität, kann man die Aufgaben von anderen Bearbeiter:innen ausblenden. Statt 50 stehen dann nur noch 25 da. Für meinen Geschmack immer noch nicht überschaubar.

Im zweiten Schritt, sollte das Tool dann die Möglichkeit besitzen, anzeigen zu lassen, welche Aufgaben in der kommende Woche anstehen.

Schon übersichtlicher, oder? In dem Fall könntet ihr auch nach Kanälen sortieren und beispielsweise nur die Facebook-Posts anzeigen oder eine ganz neue Metrik einführen und Aufgaben priorisieren und nur die wichtigsten anzeigen. Und das macht ihr nicht, weil es das System kann. Sondern ihr macht es, um euch darauf zu konzentrieren, was im Moment wichtig ist. Und wenn es nur der Überblick ist. Dadurch könnt ihr das Projekt aus unterschiedlichen Winkeln begutachten – und verbessern.

Überblick: Schätzen ist besser als Raten

Denn mit der Zeit bekommt ihr durch den Überblick eine ganz gute Idee, wie gut ihr mit eurem Workload ausgelastet seid. Und das gibt nicht nur Sicherheit und ein gutes Gefühl von Planbarkeit. Sondern spart im Endeffekt ordentlich Zeit und nerven.

Lernt aus meinen Fehlern: Mehr ist nicht per se immer besser

Ich habe beim ersten Prozessdesign zu viele Boards angelegt und bin zu kleinteilig geworden, so dass man fast schon eine halbe Minute nach links oder rechts scrollen muss, um eine Übersicht aller Boards zu bekommen. Das ist natürlich suboptimal. Man braucht kein Board „Facebook-Idee“, wenn man sich die Einträge auch über den Filter „Kanäle“ im Backlog (Ideenliste) anzeigen lassen kann. Weniger ist in solch einem Design dann doch mehr.

Wie organisiert ihr euren Redaktionsalltag? Schreibt’s doch bitte in die Kommentare, interessiert mich.